Groß. Sicher, ein wenig suchen muss man. Nicht jede Straße trägt ein Haus mit brutalen Narben.
Und
lange nicht jede balanciert überhaupt historische Häuser auf
trittfreundlich gestauchtem Buckelpflaster. Im Zentrum, ja, wo eine
Stadtschreiberin untergebracht ist, in der Nähe der grünen Berge, der
Stadtmauern und -türme, ist die Bebauung pittoresk. Die größeren Teile
der Stadt aber stehen nördlicher, westlicher, östlicher, ebener;
Betonbausteine, überall da, wo sie nicht gestoppt werden von
Karpatenwächterbergen.
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X-Large. Einwohner nicht einer Klein-, sondern einer Großstadt schließlich
müssen irgendwo wohnen: Trotz starken Rückgangs noch mehr als eine
Viertelmillion. Und zwischen ihnen Schatten, Schrammen, Risse. |
Mittel. Auch etwa ein (noch lange nicht Stadtschreiberinnen-)Alltag im Berlin
der 80er, der 90er Jahre war von vernarbten Wänden gesäumt. Grau in
grau, mietskasernenhoch. Einschusslöcher darunter, dunkel, stumpf von
vielen Jahren. Zahlreich genug für beklommene Kindheitsmomente und für
abgeklärtere auch. Real und doch Kulisse, Geschichtsbuch aus Stein und
blätterndem Putz. Bilder einer untergegangenen, längst besiegt
geglaubten Weltkriegswelt. Gefühlt viel weiter als ein halbes
Jahrhundert entfernt. Inzwischen ist fast jede solche Narbe in Berlin wegoperiert. |
Groß. Und in der Stadt an den Karpaten? Die wenigen brutal vernarbten Wände
auch hier Geschichtsbuchseiten? Doch, ja. Und wer liest sie? Diese blutige
Geschichte ist erst 27 Jahre alt. (Das passende Alter, fanden manche
Dekadenten manchmal irgendwo, um unsterblich rockstarjung aus dem Leben
zu gehen.) Hier, in Rumänien, auch in Kronstadt, verloren in Dezembertagen 1989 Etliche jeden Alters ihr Leben: In kaum wirklich geklärten Schießereien zwischen Aufständischen, Militär und Securitate, zwischen Gardisten und Terroristen, auch noch nach Ceausescus Flucht und Tod. |
Originalgröße. Bereits zwei Jahre vorher hatten Arbeiter gewagt zu revoltieren. Was für eine Ausnahme im durch tiefe Not unter dem wahnhaften Conducator eingeschüchterten Rumänien. "Ob wir verhungern, erfrieren oder erschossen werden", soll am Tag der 87´er Kronstädter Revolte auf einer Mauer gestanden haben, "das ist uns egal". |
Groß. Wenn Wände flüstern, ächzen, schreien könnten, sicher, viele würden es tun. Hier oder ganz woanders in der Welt. Lachen auch. Oder etwas Ähnliches. Hysterisch? Manche nicht mal mehr. Fatalistisch. Müde. Irr. Wie die Wände in Kabul, gestern, die noch stehen, neben Blut und Staub. Kabul? Den Bergen nah wie Brasov/Kronstadt. Einwohnerzahl wie Berlin. Wachsend, wohl. Und nun der 4., 5., 6. Anschlag dieses Jahr? Sind es 90 Tote diesmal, 400 Verletzte, oder mehr. Es verschwimmt; der Nachrichtenzug muss, Stunden später schon, langsam weiter. Zurück bleiben die Wände. Die, die noch kein Staub sind, keine Stahlbetongerippe. Schusslöcher? Fast nur ein Kitzeln. Terroristen? Sprengstoffkrater? Ein alter Hut; haha, ein Schnee von morgen. |